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Stadt Wolfsburg versucht Protest an den Rand zu drängen

Das Versammlungsrecht ist als Teil des Grundgesetzes in Deutschland eins der wichtigsten Rechtsgüter – ein sogenanntes Abwehrrecht, dass Individuen vor dem Eingriff des Staates schützt. Wer im öffentlichen Raum seine Meinung kundtun will, darf darin nicht behindert werden – das gilt selbstverständlich auch in Wolfsburg. Continue reading Stadt Wolfsburg versucht Protest an den Rand zu drängen

Keine neuen Arbeitsplätze durch Trinity-Werk

Als größter Arbeitgeber für die Region spielt VW für viele in Wolfsburg eine wichtige Rolle. Angesichts globaler Krisen und rasanter Veränderung der Wirtschaft mag es daher nahe liegen, sich vom neuen Trinity-Werk Stabilität für die Region und neue Arbeitsplätze zu erhoffen. Leider ist dieser berechtigte Wunsch aber weit entfernt von den tatsächlichen Plänen des Konzerns.

Wie die Stadt Wolfsburg auf ihrer Internetpräsenz selbst mehrfach erklärt: „Grundsätzlich werden durch das Trinity-Werk keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen […]“ (https://www.wolfsburg.de/leben/bauenwohnen/trinity) Stattdessen findet lediglich eine Verlagerung bisheriger Arbeitsplätze statt, aus dem Stadtzentrum heraus auf die grüne Wiese. Und auch die sind wohl für kaum mehr als ein paar Jahre gesichert.

Die Umstellung auf E-Autos bedeutet per se einen Verlust von Arbeitsplätzen, insbesondere in der Produktion, da weniger komplexe Komponenten verbaut werden. Diesen Stellenabbau nimmt die Konzernleitung in Kauf, denn ihr Augenmerk liegt systembedingt allein auf zukünftigen Gewinnen. Die Verantwortung für die Sicherung der Lebensgrundlage ihrer Angestellter endet bei der Kündigung. Außerdem verspricht die Entwicklung einer möglichst voll-automatisierten Produktion höhere Margen, weil Roboter keinen Lohn einfordern.

Selbst für die Arbeitsplätze, die durch das Trinity-Werk vorerst erhalten bleiben, gibt es keine Sicherheit. Zum Einen fehlt es vollkommen an Perspektiven, woher die Unmengen an Seltenen Erden und anderen Ressourcen bezogen werden sollen, die für den Bau der E-Autos benötigt werden – von der Einhaltung grundlegender Menschenrechte ganz zu schweigen. Zum anderen stellt die reine Antriebswende an sich schon heute eine Sackgasse dar. Die Anzahl an Privat-PKW kann sinnvoller weise nicht weiter steigen, noch mehr Autos auf den Straßen sind weder gewollt noch physisch machbar. Seit Jahren sind Autobahnen und Innenstädte verstopft mit PKW, der öffentliche Raum unnutzbar gemacht durch Verkehrsschneisen und Parkwüsten. Feinstaubbelastung durch Reifenabrieb, Lärmbelästigung und Verkehrstote sind gesellschaftlich nicht weiter tragbare Nebenerscheinungen von Autos, egal welchen Antriebs.

Ein eigenes Auto braucht aktuell nur noch, wer auf dem Land wohnt, dort wo seit Jahrzehnten der ÖPNV zurückgebaut und kaputt gespart wurde. Hier wird nicht Auto gefahren, weil ich will, sondern weil ich muss. Die Zeichen zukünftiger Mobilität gehen dabei schon lange in eine andere Richtung – moderner ÖPNV, neue Mobilitäts-Dienstleistungen, Teilen und Leihen statt Besitzen, multimodale Mobilität, hoch leistungsfähige Verkehrsmittel wie Straßenbahnen und Seilbahn-Systeme. Ein enormes Potenzial Neues zu entwickeln und führend in Forschung und Entwicklung zu werden, insbesondere für die Kompetenzdichte, wie wir sie hier in Wolfsburg haben.

Die Perspektive ist deshalb klar: Volkswagen muss eine umfassende Transformation wagen – weg vom Auto hin zum Selbstverständnis als modernes Mobilitäts-Unternehmen. Der Bau des Trinity-Werks steht dem in allen Belangen entgegen, ist ein Schritt in die völlig falsche Richtung. Deswegen fordern wir: Kein Spatenstich in Warmenau! Umbau des Konzerns hin zu einem gemeinwohlorientierten, von den Arbeitenden geführten Unternehmen mit einer zukunftsfähigen Produktion. Für eine tatsächliche Sicherung der Lebensgrundlagen – hier in der Region und weltweit.

von Lotte Herzberg

Bürger*innenbeteiligung ist offenbar seitens VW nicht gewünscht.

Die Planungen und Bauvorbereitungen laufen auf Hochtouren. Anders als Tesla damals in Grünheide, gibt sich VW in der Öffentlichkeit bemüht um Bürger*innendialog und die Einbeziehung von Anwohner*innen, Betroffenen und Umweltverbänden. Die vermeintliche Beteiligung auch kritischer Öffentlichkeit ist aber eine Farce. Vielmehr geht es VW darum, Gegenstimmen zu beschwichtigen, Proteste möglichst an der Wurzel zu ersticken und das Projekt Trinity-Werk möglichst geräuschlos umzusetzen.

Zunächst ist relativ kurzfristig die für den 31.8. geplante Bürger*innenveranstaltung im CongressPark kurzfristig abgesagt worden mit der platten Begründung „Dies hängt mit der Bauleitplanung zusammen. „.

Hängt das mit der Agentur für Bürger*innenbeteiligung zusammen, die VW für den Trinity-Prozess engagiert hat? Allein ein Blick auf die Website der Agentur Hier Mittenmang spricht Bände:

„Damit die Wege kurz bleiben und unsere Kunden einen zentralen Ansprechpartner haben, übernehmen wir die Steuerung der einzelnen Gewerke und sorgen so für eine reibungslose Projektumsetzung.“
Wohlgemerkt, der Kunde ist Volkswagen, die Arbeit an Bürgerbeteiligung wird als „Steuerung der einzelnen Gewerke für eine reibungslose Projektumsetzung“ umschrieben.
So, wie sich die Agentur als Ganzes darstellt, stellen sich die einzelnen Mitarbeiter*innen auf der Website nochmal persönlich vor:
– Senior Beraterin, Dialog vor Ort: „…ist bekannt für die zuverlässige und reibungslose Umsetzung ihrer Projekte.“
– Projekt- und Veranstaltungsmanager: „Seine langjährige Erfahrung im Projektmanagement garantieren eine absolut zuverlässige Umsetzung und reibungslose Abläufe.“

Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bauvorhaben ist von VW nicht gewollt.

Wenn widerstreitende Interessen aufeinander prasseln, dann entsteht nunmal Reibung. Und wenn die Gegenseite das unterdrücken will, dann laden wir hiermit nochmal ausdrücklich dazu ein, uns zu reiben!

Die Einladung zur Ortsbegehung des Trinity-Werks war leider ein Fake – wir treffen uns trotzdem.

Am Mittwoch fanden Anwohner*innen der Fläche, auf der das Trinity-Werk von VW geplant ist,  Flyer in ihren Briefkästen. Auf denen lud Hier Mittenmang, eine von VW beauftragte Berliner Kommunikationsagentur Anwohner*innen zum Dialog und zu einer Ortsbegehung des künftigen Baugeländes ein. Leider stellten sich die Flyer als eine Fälschung heraus. „Weder Volkswagen noch die von uns beauftragte Agentur Hier Mittenmang organisieren am Sonntag eine Ortsbegehung“, stellt der Volkswagen-Sprecher klar.

Wenn VW doch nicht diskutieren möchte, wollen wir trotzdem zu einem Treffen einladen – selbe Zeit und selber Ort wie auf dem Flyer vorgeschlagen: am Sonntag, den 18. September um 11:00 bei der ersten Abzweigung der K31 nach Osten nördlich von Warmenau (Koordinaten: 52.45990,10.75748). Wenn Volkswagen nicht zur Ortsbegehung und zum Bürger*innendialog vor Ort einlädt, dann müssen wir das eben selber machen. Wir laden hiermit alle Interessierten öffentlich ein, sich am Sonntag um 11:00 auf dem Baugelände zu treffen, eine Ortsbegehung zu machen, sich auszutauschen, zu diskutieren und sich zu vernetzen.

Wir wollen keine Autos, denn…

  1. Die Produktion eines jeden Autos verursacht Schäden in der Umweltdurch den hohen Verbrauch an Rohstoffen und Energie.
  2. Autos brauchen Fahrbahnen und Stehplätze, die in Innenstädten ein Drittel der Fläche beanspruchen − mehr als alle Spiel- und Grünanlagen und mehr als Wohnungen.
  3. Der motorisierte Verkehr verdirbt die Lebensqualität in Dörfern und Städten durch Lärm, Luftschadstoffe und die ständige Unfallgefahr, die Straßen zu No-Go-Areas machen und Wohnquartiere zerschneiden. Tiere, Kinder und viele andere Menschen können ihre Wohnungen nicht ohne Aufsicht verlassen.
  4. Von Parkhäusern bis zu Ampelanlagen: Autoverkehr braucht riesige Ressourcen und Infrastruktur. Das dominiert die Abläufe in jeder Stadt und führt zu massiven Einschränkungen und Kosten.

E-Autos sind nicht die Antwort.

Der zunehmende Autoverkehr bedroht immer stärker das Klima. Doch Elektroautos sind keine Lösung, auch wenn diese im Betrieb weniger Luftschadstoffe ausstoßen. Denn alle anderen Nachteile bleiben.

Und neue kommen hinzu:

  • Elektro-Autos sind schwerer und in der Produktion noch rohstoffintensiver. Die Umrüstung oder der Umstieg auf Elektromobilität würde riesige Mengen Rohstoffe, Manpower und Geld verzehren, die dringend für den Ausbau des ÖPNV gebraucht werden.
  • Lithium als heute dominanter Akku-Rohstoff ist selten. Es drohen Kriege um das Metall.

Das Argument „Arbeitsplätze“ zählt nicht – im Gegenteil: Die Arbeiter*innen in der Automobilindustrie werden dringend gebraucht – als Lok- und Busfahrer*innen, in Energie- und Verkehrswendetechnik, aber auch an vielen anderen Orten der Gesellschaft (Krankenhäuser, Pflege usw.). Wenn durch den Umstieg auf die deutlich rohstoff- und flächensparenden Verkehrsmittel Straßenbahn, Seilbahn, Bus und Fahrrad weniger Arbeit für alle entsteht, so ist das ein sinnvolles Ziel. Daher fordern wir:

  • Bessere Arbeitsbedingungen für Lok- und Busfahrer*innen plus Umschulungsprogramme für alle, die auf diese Berufe umsteigen wollen – gerade aus der Automobilbranche.
  • Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden oder weniger: Teilen wir uns lieber die verbleibende Arbeit besser auf und sichern allen dabei ein gutes Auskommen!
  • Enteignung der Automobilkonzerne, Weiterführung als kooperativ geführte Betriebe und Umbau der Produktionsanlagen für zukunftsfähige Produkte.

Für die Verkehrswende fordern wir:

  • Verkehr vermeiden!
    Wenn Menschen in Stadtteilen und Dörfern (wieder) Einkaufsmöglichkeiten, Kulturangebote, Arbeitsplätze, Arztpraxen usw. finden, fallen viele Wege weg. Das ist eine Frage der regionalen und kommunalen Planung.
  • Autofreie Ortskerne und Zonen um sensible Bereiche!
    Der Autoverkehr (motorisierter Individualverkehr) muss zurückgedrängt werden, zunächst aus den Innenstädten und rund um Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen usw. Das ist der Anfang, danach werden Autos auch aus Wohngebieten und am Ende überall verbannt. Die freiwerdenden Flächen werden dringend für andere Verkehrssysteme, Aufenthalts- und Spielflächen und Begrünung gebraucht.
  • Schienenverkehr stärken, Busse als Zubringer – und das alles zum Nulltarif!
    Mobilität muss für alle gleichermaßen möglich sein. Dafür bedarf es eines flächendeckenden, dichten Netzes an Bus- und Bahnlinien. Wo möglich, sind Straßenbahnen mit Kopplung an die Bahnlinien (sog. RegioTrams) zu verwirklichen. Seilbahnen können ergänzen. Damit alle gleichberechtigt möbil sein können, sollen die Fahrkarten abgeschafft werden (Nulltarif).
  • Ein Netz von echten Fahrradstraßen in allen Orten!
    50 Prozent und mehr des Verkehrs per Fahrrad? Das ist möglich, wie Städte zeigen, die das Radfahren systematisch fördern. Die Förderung des Radfahrens ist daher die wichtigste Maßnahme einer Verkehrswende. Fahrradstraßen sind das Rückgrat eines dichten und gut zu befahrenden Radwegenetzes.
  • Fußwege und autofreie Plätze schaffen und verbessern
    Nicht vergessen werden dürfen die Wege zu Fuß: Genug Platz, verbunden mit angenehmen Aufenthalts- und Spielplätzen, barriere- und lärmfrei. Auch Rollstühle und Rollatoren sind Verkehrsmittel. Gleichberechtigung gibt es nur dort, wo Barrieren verschwinden – und die Autos!

Dafür braucht es: Aktion! Organisiert Aktionen in Eurer Stadt/Region. Beispiele, Tipps und Anregungen findet Ihr auf https://verkehrswende.siehe.website − vom Gehzeug über kreative Demos bis zu autofreien Zonen und Fahrradstraßen per Versammlungsrecht.